2.12.05

20.11. – 08.12.2005 La Coruna - Lissabon Am "Kap Finster" ist es finster

Nachdem wir uns in La Coruna akklimatisiert haben (das Wetter ist auch hier regnerisch und kalt), beschließen wir, nun schnell die böse Ecke bei Kap Finisterre („Kap Finster") hinter uns zu bringen.

Und wir werden auch diesmal nicht enttäuscht: Es ist finster vor Kap Finster, kein Mond, keine Sterne, schnell weiter...

Doch plötzlich erscheinen in der Düsternis hell leuchtende, riesenhafte Plankton – Sterne, dort wo das Boot die Wellen aufwühlt. Als wir zum Bug rasen, trauen wir unseren Augen kaum:
Delphine tanzen auf der Bugwelle und leuchten unwirklich in der stockfinsteren Nacht – schnell, schimmernd, schön. Sind wir in der Milchstraße gelandet?
Die Delphine begleiten uns lange in dieser Nacht und lotsen uns sicher am Kap vorbei. Später nimmt der Wind zu, dreht und die Wellen werden seltsam kurz und unangenehm kabbelig.

Wir sind froh, als wir am nächsten Vormittag Bayona erreichen, unsere letzte spanische Stadt am Festland.



Da die Hafengebühren hier unverschämt teuer sind und die Stadt uns vom ersten Eindruck her nicht besonders anspricht, halten wir uns hier nicht länger auf als notwendig: Duschen, Schlafen und der inzwischen traditionelle Pommes– Test.

Es erwartet uns ein sonniger Segeltag mit wenig Wind aus N – NE, der uns am Abend in den kleinen Fischerort La Guardia an der spanischen Grenze verschlägt. Anlegen ist hier nicht möglich, also werfen wir den Anker, nah an der Hafeneinfahrt. Da der Untergrund hier sehr steinig ist, hält der Anker nicht. Dies merken wir allerdings erst, als der Wind zunimmt und wir schon längst in den Federn liegen.
Ein zufälliger Blick vor dem Einschlafen überzeugt uns davon, im Frierkostüm den Motor anzuschmeißen, den Anker hochzureißen, und das Weite zu suchen.

Spanien ade´ - Portugal gefällt uns sowieso viel besser. Die Menschen erscheinen uns grundsätzlich freundlicher, hilfsbereiter und weltoffener – zumindest spricht selbst der betagte Portugiese ein paar Brocken englisch und bemüht sich ansonsten ernsthaft mit Hand und Fuß.

Viano do Castello nennt sich also unsere erste Anlaufstation im Land mit den langen Stränden; nachts um 0330 werden wir von zwei freudig plappernden portugiesischen Hafenwärtern an unseren Liegeplatz geleitet. Ausschlafen, Stadtbesichtigung, Strandbar und natürlich – Pommes.

Da Portugal dann doch leider nur eine Transitstrecke für uns ist, zieht es uns bereits am nächsten Morgen weiter Richtung Süden. Wir machen unser Boot im wegen Umbau geschlossenen Hafen von Leixos / Porto fest. Das hat den Vorteil, dass wir die Hafengebühren einsparen, die wir dann später viel besser in immer noch sehr billigen, aber köstlichen Fleischwaren beim Metzger anlegen.



Hier trudelt in der Nacht auch die französische Segelyacht mit den drei jüngeren „Kanaren – Club – Mitgliedern" ein, die wir seit La Coruna immer wieder treffen. Wetterberichte werden verglichen, neben diesen Nachbarn werden wir unser Zuhause wohl noch öfter „parken".

Am nächsten Morgen stehen wir frühzeitig auf, um nach langer Zeit mal wieder unsere kulturellen Bedürfnisse zu befriedigen und eine Busfahrt nach Porto zu unternehmen. Nach einer Stunde Schaukelei durch hässlichste Vororte werden wir im Zentrum der „heimlichen Hauptstadt" mit rund 380 000 Einwohnern ausgesetzt.

Unser Reiseführer hat über Porto als lebendige, weltoffene Handelsstadt, als das produktive Zentrum des Landes zu berichten. „Hier wird nicht gelebt, hier wird gearbeitet", behauptet ein altes Sprichwort.
Bereits durch die Kelten besiedelt, ab 711 durch den Einfluss der Mauren geprägt, wird Porto mit seinem Hafen „portus – cale „ bereits im Jahr 868 durch die Christen erobert - Porto hat dem ganzen Land seinen Namen gegeben.

Wir erleben die hügelige Stadt mit vielen Barockbauten mit zahlreichen Plätzen und Kirchen als sehr vielseitig, doch trotz der protzigen Bauten wird die bittere Armut der Bevölkerung in dieser Stadt Europas sehr deutlich.

Wir fühlen uns zeitweise in eine Zeit „vor unserer Zeit" versetzt – kleinste Gemüse-, Obst- und Allerlei- Läden, wie man sie in Deutschland seit Jahrzehnten (wie wir aus Erzählungen wissen) so nicht mehr findet. Viele Häuser sind verfallen, grau, mit eingeschlagenen Fenstern. Der Vergleich mit einem kommunistischen Land Osteuropas kommt uns in den Sinn.

In der Markthalle verkaufen alte Frauen (in Pantoffeln, dicken Wollsocken und einfachsten Haushaltskleidern), die kaum noch stehen können, Gemüse für Pfennigbeträge – sie können kaum auf ein 2- Euro– Stück herausgeben.



Einerseits eine faszinierende Einfachheit – aber aus unserer verwöhnten, europäischen Sicht auch erschreckend. Dieser Eindruck bestätigt sich in den anderen (Hafen-) Städten Portugals, die wir kennen lernen.
Der Reiseführer verweist darauf, dass die Situation sich im östlichen Landesinneren eher noch verschlimmert. Dort werden die unwegsamen Berghänge noch mit Ochs und Pflug bewirtschaftet.



Der eher frostige Eindruck, den wir von der „Kulturhauptstadt Europas 2001" gewinnen, wird sicher noch durch die Temperaturen knapp an der Schneefallgrenze und den beständig auf uns niederrieselnden, eisigen Regen verstärkt.

Und weiter geht die Fahrt am nächsten Morgen, kaum haben wir den Hafen verlassen, überfällt uns eine grollende Gewitterwolkenfront, die Mützen, Jacken, Turnschuhe und Nacken innerhalb von Sekunden bis obenhin mit Wasser füllt...

Nach einer Nachtfahrt erreichen wir den Fischerort Nazare´. Herrenlose Hafenhunde durchstöbern vor der Fischfabrik die Fischreste des Tages. Ab und zu Regenschauer.



Auf einer lang gestreckten Betonmauer haben sich andere Segler verschiedener Nationen mit Farbe und Pinsel teilweise sehr kunstvoll verewigt.
Das Highlight, nachdem Timo das Hafengelände und den Strand erkundet hat: Die gewaltige Brandung des Atlantiks am Strand nahe der Mole: Timo´s Augen stürzen sich fasziniert leuchtend in die riesigen Wellen.



Währenddessen tobt auf den Kanaren der Tropensturm „DELTA". Gut das wir uns bis jetzt Zeit gelassen haben: So ein Sturm ist selbst im Hafen unangenehm wenn nicht sogar gefährlich.



Die "Sueddeutsche Zeitung" schreibt am 29.11.2005:


Tropensturm "Delta"
Kanaren von Außenwelt abgeschnitten
Mit Windböen von bis zu 120 Kilometern in der Stunde hat das Unwetter bislang sieben Menschen das Leben gekostet und erhebliche Schäden angerichtet. --> Erste Ausläufer von "Delta": Wellen brechen an der Promenade von Santa Cruz de la PalmaFoto: dpa
La Palma, El Hierro, Gomera und Teneriffa waren durch den Sturm praktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Wegen Erdrutschen oder umgestürzter Bäume waren mehrere Straßen blockiert, wie der Rundfunk in der Nacht zum Dienstag berichtete.
Rund 150.000 Haushalte waren ohne Strom, und auch die Telefonverbindungen brachen vielerorts zusammen. Angesichts des Unwetters hatten die Behörden die Schließung aller Schulen auf den Kanaren angeordnet.
Rund 400 Kilometer südlich des Archipels brachten das Deltas Böen ein Flüchtlingsboot zum Kentern. Bereits am Montag waren mindestens sechs Flüchtlinge aus Afrika ums Leben gekommen, die wegen des Unwetters rund 400 Kilometer vor den Kanaren mit ihrem Boot kenterten. Zwölf weitere werden noch vermisst. 32 der Insassen überlebten und wurden mit einem Rettungsschiff und einem Hubschrauber geborgen. Die Schiffbrüchigen waren von einem unter der Flagge Panamas fahrenden Öltanker gesichtet worden. Auf Fuerteventura starb nach offiziellen Angaben vom Dienstag ein 63-Jähriger, der vom Dach seines Hauses stürzte, als er dieses reparierte. (dpa)



Auf dem Weg nach Lissabon legen wir noch einen weiteren Stopp in Peniche ein, wo uns ein freundlicher Zöllner per Handschlag begrüßt und in wenigen Minuten unsere Papiere kontrolliert.
Der hilfsbereite Hafenmeister drückt uns einen sehr ausführlichen, aktuellen Wetterbericht in die Hand. Ein seltener Service, der nach der Erzählung des Hafenmeisters darin begründet liegt, dass vor ca. 10 Jahren ein Segler – Pärchen ohne Wetterprognose diesen Hafen verließ und Lissabon nie erreichte...



Das Highlight, nachdem Sandra in der Nacht offenherzig die Luken auflässt: Rattenalarm!
Von einem leisen Getrappel auf Deck geweckt, riskiert sie einen Blick nach draußen: In Sandra´ s Augen spiegelt sich der blanke Horror, als sie einer Ratte direkt ins Antlitz blickt. Alle Schotten dicht!!!
Noch in dieser Nacht werden lebhaft Strategien zur Ratten- (und Kakerlaken-) Abwehr entwickelt. Vorläufiges Ergebnis: Große Plastik – Teller mit Einschnitt, so dass sie über die Festmacher – Leinen gestülpt werden können, überdimensionale Mausefallen (tot oder lebendig!), Lebensmittelkontrolle und Reinigung des Frischproviants außerhalb des Bootes...

Nach einem sonnigen Segeltag fällt der Anker am 29. November in Cascais, einem Vorort von Lissabon mit 30 000 Einwohnern; ehemalige Sommerresidenz des Königshauses und ein beliebter Badeort mit dem Charme eines alten Fischerdorfes.

Der nächste Tag beginnt kalt, aber mit strahlendem Sonnenschein. Das Klüver – Segel wird zur Reparatur gebracht. Später laden wir das Schlauchboot mehrmals bis obenhin mit Einkäufen für die Atlantik – Überquerung voll.

Beim dritten Mal geht es dann schief: Als Timo am Strand anlanden will, erwischt ihn eine Welle, die das Beiboot zum Kentern bringt. Timo klitschnass, Außenborder klitschnass – und streikt auf dem Rückweg zum Boot komplett. Paddel? Vergessen! Also wird leidlich mit den Händen gefächert, bis sich ein freundlicher Fischer mit Paddelboot erbarmt...



Eigentlich wollte uns an diesem Wochenende Schulfreundin Assi und Uwe besuchen, hat leider wegen unpassender Flugverbindung nicht geklappt. Schade!



Inzwischen haben wir unser getreues Boot und uns in den Hafen verholt, um solche Annehmlichkeiten wie z.B. halbstuendiges Duschen oder einen am Abend dauerlaufenden Heizluefter nicht laenger missen zu muessen. Wir bereiten uns auf die Ueberfahrt zu den Kanaren vor (Einkauf, Tanken etc.), versuchen, etwas portugiesische Weihnachtsstimmung zu erhaschen und Lissabon zu erkunden.



Die Lissabon - Erkundung startet mit einer halbstuendigen Zugfahrt, hin und zurueck fuer 2,90€! Wir laufen planlos durch die Stadt.

Ueberall Denkmaeler, Burgen, Theater, Cafe´s, wunderschoene Plaetze, Maronenverkaeufer, Museen, blinde Losverkaeufer, Verkehrschaos, Blumenfrauen, Bettler...Wir laufen und laufen.
Gut, dass wir zu Fuss unterwegs sind, denn der Verkehr kommt komplett zum Erliegen, als ein Lieferwagen die Strassenbahnschienen blockiert. Mindestens 10 hektische Polizisten versuchen der Lage Herr zu werden. Der Fahrer ist nicht aufzufinden und schon kommt mit Karacho ein Abschleppwagen der Polizei mit Blaulicht und Sirene ueber den Buergersteig gerast.



Aber als Erstes verbringen wir eine Stunde in einem Fachgeschaeft fuer nautische Karten. Der Angestellte ist heute Vater geworden und bester Laune?! Wir bekommen Uebersegler und bestellen Gastlandflaggen fuer Suedamerika (und wenn wir genug Geld haetten, auch fuer den Rest der Welt). Die Adresse des gut sortierten Geschaefts haben wir auf dem Boot vergessen - wird nachgereicht.


Die Stadt ist im Vergleich zu Porto herrlich lebendig und vielseitig.
Fuer den Mittwoch nehmen wir uns das "Ozenarium", groesstes Meerwasser - Aquarium in Europa vor. Eigentlich wollten wir dann schon auf Hoher See sein, aber...



Der Hafen von Cascais, einem Vorort von Lissabon, in dem wir derzeit liegen, ist empfehlenswert, da die Haefen direkt in Lissabon am Flussufer des Tejo teuer und laut sind. Hier gibt es, im Gegensatz zu Cascais, keine Winterpreise und keinen Supermarkt in der Naehe.



Nach mehreren Stunden in Lissabon ist es ein schoenes Gefuehl, in das ruhige, uebersichtliche und beschauliche Cascais zurueckzukehren.


Weihnachten werden wir, hoffentlich sturmfrei, auf den Kanarischen Inseln verbringen.

Weihnachtspost in deutscher Sprache wird von uns heiss ersehnt (allerdings nur Worte - oder Briefsendungen, keine Paeckchen) und kann an folgende Adresse geschickt werden:

SY Ultima

Sandra Wulf u./o. Timo Hollaender

c/o Officina del Puerto

Muelle Deportivo

Las Palmas de Gran Canaria

Spanien