24.12.08

04.12.2008 – 24.12.2008 Costa Rica – El Salvador „Im Land der Vulkane, Zähne und Pupusas“


Der Aufhänger

El Coco, Costa Rica. Die Zahn- Odyssee geht weiter. 10 Zahnärzte wurden inzwischen in verschiedenen Landesteilen Costa Ricas konsultiert. Auch der Versuch, in El Coco einen geeigneten Zahnarzt für eine Wurzelbehandlung aufzutreiben, scheitert kläglich. Nach verschiedenen Telefonaten kann ein Termin bei der ortsansässigen „Dentista“ vereinbart werden, deren Behandlungszimmer eher einer schlechteren Tierarztpraxis gleicht.

Doch auch hier heißt es nach einer kurzen Zahnstocherung: „Necesita un especialista, no hay (gibt es hier nicht)“.
Hier werden nur Füllungen gemacht und Zähne gezogen. Sandra hat zum Glück keine Schmerzen. Wir haben beide inzwischen gestrichen die zahnlose Schnauze voll und hängen das Thema bis El Salvador an einen wackligen Nagel.



Vorsichtshalber erkundigen wir uns schon mal bei der Deutschen Botschaft in El Salvador nach den Möglichkeiten einer Zahnbehandlung und erhalten prompt die Anschrift einer Zahnklinik in der Hauptstadt San Salvador, vom Botschafter persönlich getestet. Per E- Mail können wir dort für den 16.12. einen Termin vereinbaren. Nichts wie los. Für Notfälle haben wir auch Zangen in verschieden Formen und Größen an Bord. Wie Timo stolz meint: „Mit der 10 Zoll Wasserpumpenzange könnte ich sogar ausgewachsene Elefantenbullen behandeln.“

Die französische Segelyacht „Anesthesie“(der Name passt perfekt zum Thema), die wir zum ersten Mal in „Bahia Ballena“ getroffen haben, ist inzwischen auch in El Coco eingetrudelt. Endlich mal wieder Europäer!


Bei französischem Brie, deutschem Brot und Costa Rica Bier tauschen wir am Abend unsere „Pura Vida“- Enttäuschungen und französich- kanadisch- deutsche Melodien aus.


Der Wetterbericht für die Überquerung des Papagayo- Golfes ist nicht ganz durchsichtig. Wir beschließen die Ausreise aus Costa Rica am nächsten Tag, die Franzosen warten noch ein Tiefdruckgebiet über dem Golf von Mexiko und eine Kaltfront ab. Als maximaler Wind im Papagayo- Golf wird NE 20-25 Knoten angesagt. Wir werden morgen sehen, was da wirklich los ist.

Der Rest des Tages und der nächste Morgen gehören der Bürokratie. 10 US$ in Costa-Rica- Währung wollen bei der Nationalbank eingezahlt werden, spezielle Briefmarken im Wert von 20 Cents müssen wir an der Supermarkt- Kasse besorgen. Der „Capitan del Puerto“ nimmt Quittung und Marken entgegen und schickt uns dann zur „Immigration“. 1000 Uhr. Dort hängt ein Schild an der Tür: „Bis mittags geschlossen, medizinischer Notfall, vor 1200 Uhr wieder zurück“.

Macht nichts, ziehen wir eben Einkauf und Internet vor und kommen später wieder, während die Franzosen, die vorsichtshalber auch schon mal ausklarieren wollen, vor der verschlossenen Tür warten. Als wir uns gegen 1230 Uhr erneut auf den Weg machen, kommen uns die Franzosen erbost entgegen – immer noch niemand da. Wir sitzen auch noch mal eine halbe Stunde auf den Stufen. Keiner kommt. Ist ja jetzt auch Mittagszeit, die Immigrations- Dame wird vom Arzt direkt zum Mittagessen gegangen sein. 1330 Uhr – erneuter Versuch. Die Tür ist offen, die Franzosen sitzen schon bereit.



Doch die Dame der Immigration hat die Ruhe weg, erzählt in allen Einzelheiten von ihrem Zahnarztbesuch und putzt sich dann erstmal sorgfältigst mit ihrer elektrischen Zahnbürste die Zähne. Wir hören es im Hintergrund summen. Bevor sie den Stempel umständlich auf den 10.12.2008 weiterdreht, nimmt sie mit theatralisch wehleidigem Gesichtsausdruck eine Schmerz- Tablette ein. Beim Stempeldrehen bricht auch noch zusätzlich zum Zahnschmerz ein manikürter Fingernagel ab.

Ein vorwurfsvoller Blick an uns alle, aber zum Glück wirkt plötzlich die Pille. Sie trällert ein fröhliches Lied und es kann mit der Passbearbeitung losgehen.

Am späteren Nachmittag haben wir dann endlich unsere Stempel und Papiere zusammen. Es kann losgehen. Das Beiboot wird in Bikini und Badehose vom Strand durch die Brandung gezerrt, inzwischen haben wir Übung.

In einer halben Stunde sind wir startklar. Anker auf, wir segeln bei wenig Wind in die Dämmerung. Kaum haben wir das „Cabo Santa Elena“ umrundet, knipst jemand den Windschalter an. Von 0 auf NE 25, später in Böen 30 Knoten. Wie ging das Reffen noch mal? Das 3. Reff ist schnell gefunden. Sturmfock. Die Kugelhähne sind schnell zugedreht, die herunter geflogenen Töpfe, Einkaufstüten und Bücher schnell wieder aufgehoben. Zeit, Schwimmwesten und Lifebelts hervorzukramen und den Genacker wegzukramen (das letztere sieht sogar Timo ein).


Der fast volle Mond ist von einem unheimlichen, weiß leuchtenden Ring umgeben. Weit weg leuchten Blitze am Horizont. Herzlich Willkommen im Mittelamerika - Theater.



Im Laufe der Nacht dreht der Wind auf NW und lässt nach. Reffs wieder raus. Mittags begegnet uns, ca. 18 Meilen von der nicaraguanischen Küste entfernt, ein Segelboot auf Gegenkurs. Per VHF erfahren wir den neuesten Klatsch aus Barillas, El Salvador und die aktuelle Wettervorhersage.



Wir nutzen die Ruhe, um den Motorraum abzupumpen. Durch das Leck an der Kühlwasserpumpe tritt bei Motor- Benutzung wenig aber ständig Wasser ein. Als der Wind immer weniger wird, werfen wir für eine Weile den Motor an. Wir hoffen, in El Salvador einen neuen Dichtungsring zu bekommen (beim Hoffen bleibt es auch).

Pünktlich um Mitternacht meldet sich der Wind zurück. Der typische Papagayo- Wind: NE 25 Knoten. Der Reff-Tanz kann beginnen. Mit bis zu 7,2 Knoten düsen wir durch die milde Vollmond- Nacht. Das macht Spaß.

Am Nachmittag des 12.12. stehen wir nach 250 Meilen vor der Einfahrt der „Bahia Jiquilisco“. Dabei bleibt es für heute auch.



Vor der Einfahrt sind großflächige, sich ständig verändernde Sandbänke mit brechenden Wellen. Der Weg führt 9 Meilen den teils versandeten Fluss hinauf. Ein Lotse ist erforderlich, der die ausländischen Segelboote an einem vereinbarten Wegpunkt einsammelt und sicher durch die Brecher bringt.

Leider hat der Pilot schon Feierabend, als wir gegen 1700 Uhr die Bucht erreichen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als vor der Tür zu warten, bis der neue Tag anbricht. Das bedeutet für die nächsten 14 Stunden: segeln, bei den üblichen nächtlichen 20-25 Knoten NE- Wind und später driften ohne Segel und ohne Wind, in gebührendem Abstand zu den Brechern. Wir dösen vor uns hin, stellen stundenweise den Wecker und kriegen doch ab und zu ein Auge geschlossen.



El Salvador hat eine 320 km lange Pazifikküste mit Feriendörfern, Stränden, Fischerdörfern und Pinienwäldern. In der Ferne erhebt sich am Morgen der eindrucksvolle Vulkan St. Miguel.

Pünktlich um 0900 Uhr, kurz vor Tidenwechsel, holt uns der Pilot am Wegpunkt ab. Noch ist der Strom gegenan und wir tuckeln mit 3.5 Knoten um die Brecher herum. Kaum in der Bucht wird es herrlich ruhig.
2 kleine ursprüngliche Dörfer mit Dächern aus Palmblättern säumen den Fluss, der immer schmaler wird und uns bald durch dichte Mangroven dem „Barillas Marina Club“ entgegen schiebt. Hier ist es, von der Strömung abgesehen, ruhig wie auf einem Ententeich. Statt der Enten paddeln hier allerdings Schildkröten und Krokodile über den Teich. Auch ein paar Gringo- („Green Go“) Boote sind anwesend.

Der Club- Manager „Heriberto“ empfängt uns freundlich und bringt auch gleich die National- Polizei, Immigrationsbeamten und Zöllner mit an Bord.
Das Boot wird 19 Minuten lang durchsucht. Immerhin findet der Offizielle ein paar Konserven, an die wir seit Deutschland nicht mehr gedacht haben.



Über das Abendessen brauchen wir uns nicht den Kopf zu zerbrechen – Hering in Tomatensoße - gibt es etwas Besseres?


Das ist die erste Durchsuchung, die wir seit unserem Vorgängerschiff „Ara Moana“ und Kapitän Fritz 2004 auf der schönen Ostsee von Polen nach Deutschland gesegelt sind. Grüße an den BGS. Nach dem üblichen Papierkram sind wir offiziell in El Salvador eingereist.

Samstagmittag kommen wir an. Dienstagmorgen ist der Zahnarzt- Termin. Da bleibt noch genug Zeit, die zweieinhalbstündige Fahrt nach San Salvador zu planen.



Wir befinden uns hier mitten in der Pampa bzw. in den Mangroven. Der nächste Ort liegt 40 km entfernt. Öffentliche Verkehrsmittel verkehren hier nicht. Es bleibt uns nur, den clubeigenen Mini- Van mit Fahrer für 100 „Bucks“ zu mieten und zu hoffen, dass die Auslandsreise- Krankenversicherung den Zahn- Transport übernimmt.



Zweimal in der Woche fährt der Bus allerdings kostenlos zum nächsten Supermarkt. Die einzige Möglichkeit, aus dem Luxus-Knast auszubrechen und das echte Leben für 2,5 h in „Usulutan“ zu genießen.



Um 0630 Uhr fahren wir pünktlich los, auf einer Schotterstrasse vorbei an der clubeigenen Flugpiste, durch Dschungel und Zuckerrohrfelder.
Auf den Feldern herrscht bereits am frühen Morgen Hochbetrieb. Die Erntezeit während der Trockenzeit beträgt 6 Monate. Überall steigen dicke Rauchschwaden auf, wo die abgeernteten Felder abgebrannt werden (die schwarzen Flocken landen, wo auch sonst, auf unserem Boot). Riesige Laster befördern Tonnen von Zuckerrohr durch das Land.



Der Fahrer warnt uns, nachts durch die Zuckerrohrfelder zu fahren – das ideale Versteck für Rebellen.
Aber die Menschen sind wirklich nett. Nach Galapagos und Costa Rica fühlen wir uns wieder willkommen, wie damals, in ganz Südamerika.

Vorbei an Ochsen, Traktoren und winkenden Erntehelfern, die zur Arbeit radeln. Nur die Rebellen machen zum Glück Urlaub.



Die Hauptstadt San Salvador liegt 680 m hoch und wurde 1545 von dem Spanier Gonzalo De Alvarado gegründet. Das Stadtbild variiert zwischen modernen und kolonialen Bauten. Dicht beieinander liegen die Kathedrale, der Nationalpalast, die Nationalbank und das Nationaltheater.

Die Zahnklinik macht einen guten Eindruck, zum Empfang wird uns, und auf Nachfrage, sogar dem Fahrer ein Kaffee serviert.



Während Sandra´ s Kiefer in den nächsten zweieinhalb Stunden von überdimensionalen Spritzen, Bohrern und Saugern traktiert wird, macht Timo mit dem Fahrer einen lustigen Ausflug zu den beiden Marine Shops der Stadt, um Ersatzteile für Kühlwasserpumpe und Außenborder zu besorgen. „No hay“...<

Nach der erfolgreichen Wurzelbehandlung halten wir auf dem Rückweg an einer „Pupulseria“. Was ist das denn?



„Pupusas“, das Nationalgericht von El Salvador!




Man nehme für den Teig: 5 Tassen Reis- oder Maismehl, 4 Tassen Wasser, 1 TL Öl, etwas Salz.

Mehl in eine Schüssel geben und zusammen mit dem Wasser einen Tortilla-Teig herstellen. In 25 Stücke teilen. Jedes Teil zuerst zu einer Kugel formen, dann diese mit der Handfläche flach drücken.
In die Mitte einen Teelöffel der Fleischfüllung geben, den Teig überschlagen und die Ränder gut andrücken. Etwas Öl in der Pfanne erhitzen und die Pupusas auf jeder Seite 4 bis 5 Minuten goldgelb braten.



Sofort servieren.















Die Füllung ist so flexibel wie Lateinamerika, also alles, was die Küche hergibt: Hackfleisch, Hühnchen-, Schweine- oder Rindfleischstreifen, Meeresfrüchte, gehackte Zwiebeln, Knoblauch, Chilischoten, Tomaten, Käse, Spinat.
Gewürze nach Wahl und ganz wichtig (aber nur für das Original): Kreuzkümmel und passierte braune Linsen.

Fleisch, Zwiebel und Knoblauch scharf anbraten. Gut dünsten, ganz wenig Wasser beifügen. Wenn das Fleisch gar ist, die Hitze reduzieren, dann Chilischote, Tomate und Gewürze beigeben und auf kleinem Feuer köcheln lassen, bis alles gar ist.
Füllung beiseite stellen und abkühlen lassen. Anschließend Käse und Salz unterrühren. Als Beilage Krautsalat.

Listo! Fertig sind die„Pupusas“.

Der Name irritiert vielleicht ein wenig. Nichts desto trotz, wir hatten keine Probleme oder anormale Laute im Magen und Darmbereich!

Maismehl haben wir inzwischen gekauft, die Einheimischen haben uns ihre Geheimtipps verraten und in den nächsten Tagen gehen wir in die ultimative Pupusa- Produktion, notfalls mit Corned Beef.
Perfektes Offshore- Essen!


Kirche in Usulutan

Außerhalb der Hauptstadt bietet sich ein Ausflug nach „Panchimalco“ an. Hier leben Pancho- Indios, die sich viele ihrer Traditionen bewahrt haben. Die anderen Indianer wurden beseitigt. Weitere Ausflugsziele sind die Vulkane San Salvador und Izalco. Sehenswert ist auch die El- Tazumal- Pyramide, eine Maya- Zeremonienstädte nahe der Stadt Chalchuapa, die im 6. Jahrhundert errichtet worden sein soll.



Wer glaubt, das Zahnarzt- Thema sei nun beendet, der irrt. Nach der Wurzelbehandlung ist eine Krone fällig, wofür noch mal 2-3 Termine veranschlagt werden. Wir entscheiden, dies aufgrund des weiten Weges und den 100 US$ nicht in San Salvador reparieren zu lassen und suchen bei unserem nächsten Einkaufs- Besuch in der Stadt „Usulutan“ eine Zahnärztin auf. Sie wiederum rät, mit blutigen Handschuhen wild gestikulierend, ganz von einer Krone ab und Empfiehlt eine „Rekonstruktion“. Aha.


Vorsichtshalber konsultieren wir per E- Mail und gescanntem Röntgen- Bild den Zahnarzt und Ferndoktor unseres Vertrauens:


Holger aus Buxtehude,


der bereits zu Beginn der Reise unsere Boots- Apotheke auf Vordermann gebracht hat. Die „Rekonstruktion“ stellt sich als „Aufbau- Füllung“ heraus, über die dann aber nach 2-4 Monaten eine Krone gesetzt werden sollte.

Aufgrund dieser sehr ausführlichen, heimatlichen Ferndiagnose fällen wir die Entscheidung. Wir warten mindestens 2 Monate und lassen die Krone dann in Mexiko anfertigen, direkt vor Ort. Listo!

Uta und Holger, ganz lieben Dank für Eure tatkräftige Unterstützung !!!

(Falls wir hier irgend etwas zahnmedizinisch falsch beschrieben haben: unser Fehler!).

Aber auch Timo kommt unter´s Messer.



Inzwischen wird er auf den Ankerplätzen und Häfen in ganz Zentralamerika nur noch mit „Bum! Bum! Becker!!!“ angesprochen.


Ein Grund, sich beim Friseur für 2 US$ von der Lockenpracht zu trennen. Aber immerhin hatte Boris Becker eine bessere Frisur und auch mehr Freundinnen als unsere Bundeskanzlerin.

Somit wäre dieses Thema vorerst auch zu den Akten gelegt und wir haben endlich Zeit, uns auf die Abfahrt nach Mexiko vorzubereiten: Diesel (4,50 US$ pro Gallone und doppelt so teuer als an der nächsten öffentlichen Tanke), Wasser, Proviant, Rigg- und Motorinspektion, Wetterkunde.



Es sieht so aus, als täte sich ein viertägiges Wetterfenster für den „Tehuantepec- Golf“ auf, so dass wir eventuell am 25.12. die 500 Meilen lange Reise nach Huatulco in Mexiko antreten können.

Und zu guter Letzt ist heute Weihnachten, was wir bei dieser Hitze kaum glauben können. In der Bilge liegen aber noch zwei Gläser Kühne-Rotkohl und einen Rinder- Braten und Kartoffeln haben wir auch gekauft.


FELIZ NAVIDAD !!!



FRÖHLICHE WEIHNACHTEN SOWIE KEINE HAND BREIT WASSER IM MOTORRAUM 2009!!!


Wer uns mal wieder schreiben möchte, unsere Anschrift in La Paz, Mexiko lautet:

Eberhard Wolff
SY "ULTIMA" - Sandra Wulf/ Timo Holländer
Apartado Postal 284 Centro
La Paz, Baja California Sur
CP 23000, Mexico

Bitte keine Päckchen. Die kriegen wir nicht durch den Zoll.
Wir sind bis Februar in La Paz. Die Post benötigt 3-4 Wochen.

2 Kommentare:

At 21.2.09, Anonymous Anonym sagte...

Hallo Ihr Zwei,
ich würde mal sagen:"Ganz großes Tennis"! Alles Gute. Gruß Stefan GÖ.

 
At 14.12.09, Anonymous Anonym sagte...

schuldigun g aber =(

 

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