28.3.07

19.01.2007 – 28.03.2007 Puerto Deseado – Isla de los Estados (Staaten Insel) - Ushuaia „Endstation Feuerland“



Unser unfreiwilliger Aufenthalt in Puerto Deseado weitet sich auf über einen Monat aus, was dazu führt, dass wir uns in dem 9000 – Seelen –Städtchen inzwischen fast heimisch fühlen. Ein Schwätzchen hier, eine Einladung dort. Wir sind mittlerweile bekannt wie ein bunter Hund.



Jeden Tag schauen die Werftarbeiter und die Crews der Fischerboote vorbei. Wir lernen einiges über das Arbeitsleben auf einer Werft und besichtigen zahlreiche Boote der Fischereiflotte.

Enrique, der Kapitän unseres Nachbar-Fischerbootes „Entrena Uno“, versorgt uns mit den neuesten Navigationsprogrammen und Insiderwissen über die speziellen Fangmethoden von Schrimps und Tintenfischen. Außerdem profitieren wir von seinen langjährigen Erfahrungen bezüglich des Wettergeschehens im Südatlantik.



Der Koch wird unser bester Freund, hungern müssen wir hier nicht: Pizza in der Mannschaftsmesse und Lamm- Assado auf dem Deck der „Entrena Uno“; Fisch und Dessert in der Offiziersmesse des neugierigen Kapitäns eines ehemals japanischen Tintenfisch-Fängers, der uns mit Seekarten aus aller Welt beschenkt. Auf der Brücke bestaunen wir den traditionellen, japanischen Schrein hinter Glas, ausgestattet mit einer Schale Reis, Saake, Salz und einigen anderen Glücksbringern, die die Geister der Meere gnädig stimmen sollen.
Eines Abends bringt uns der Chef der Schrimps- Fabrik nebenan 2 Kilo frische Schrimps vorbei. Wer soll das alles essen? Wir opfern uns.



Wir nutzen die Zeit für Landausflüge zum versteinerten Wald





und zum Gaucho - Festival am Stadtrand.





Bei einem Bootsausflug ins Flussdelta bestaunen wir die zahlreichen Pinguin- und Kormorankolonien.





Unser Boot hat sich inzwischen einen wuchernden Unterwassergarten aus Algen, Kelp und Garnelen zugelegt. Ein Tauchgang steht an. Sandra zwängt sich in die ausgeliehene Tauchausrüstung des schlanken Werfttauchers und steigt bei 10 ° Wassertemperatur in die undurchsichtigen Schlammgründe des Hafenbeckens hinab, um dem ca. 40cm langen Bewuchs zu Leibe zu rücken; bewaffnet mit Messer, Plastikspachteln und Bürsten - ein Rasenmäher wäre hier hilfreicher.



Irgendwann werden wir dann doch ungeduldig: Die Mastreparatur dauert viel länger als erwartet, der Mast liegt seit 2 Wochen halbfertig in einer 2 Kilometer entfernten Halle. Der Riss im Mastfuß wurde inzwischen geschweißt, die Aluminiumplatte für die Manschette aus Buenos Aires angeliefert. Eine Arbeit, die im Normalfall höchstens einen Tag dauern würde, zieht sich nun endlos hin. Carlos, der den Auftrag für die Mastreparatur übernommen hat, speist uns täglich mit „no problem“ und „manjana, manjana“ ab. Die Aufträge auf den im nächsten Monat auslaufenden Fischerbooten gehen vor.



Wir warten, fluchen, warten. Einiges läuft schief, es wird gepfuscht; die Aluminium-Manschette wird nicht wie vereinbart vernietet sondern verschraubt, mit verzinkten Schrauben statt VA- Schrauben! Da es laut Carlos im Umkreis von 200 km angeblich keine VA- Schrauben gibt, besorgen wir diese selbst: im Laden um die Ecke… Wir erscheinen nun täglich in der Halle, um den Fortgang der Reparatur zu überwachen.



Statt des Hartholzstückes, das zur zusätzlichen Stabilität eingeschlagen werden sollte, füllt Carlos eine Masse aus flüssigem Gummi und Sägespänen (oder Kork) in den Mastfuß – das Holz konnte wegen der bereits zur Befestigung der Manschette eingesetzten Schrauben nicht mehr eingeschlagen werden. Zu guter Letzt verschweißt Carlos gegen alle Absprachen die untere Mastöffnung mit einer Aluplatte!



Diese darf er bei unserem morgendlichen Kontrollgang auch gleich wieder entfernen, denn damit lässt sich der Mast nicht mehr auf der Steckvorrichtung des Bootsdecks anbringen. Mit der eingeklebten Sägespäne- Paste finden wir uns notgedrungen ab, wobei fraglich ist, ob sie irgendeinen Zweck erfüllt. Was für ein unkoordinierter Pfusch – und das auch noch zu einem unverschämten Touristenpreis.



A propos Preis: Nach 2 Wochen haben wir trotz fast täglichen Nachfragens immer noch keinen Kostenvoranschlag, bis wir eines Tages eine völlig utopische Summe genannt bekommen. Wir laden Carlos telefonisch zu einem Verhandlungsgespräch vor und siehe da: Innerhalb von 5 Minuten schrumpfen die Kosten plötzlich um die Hälfte! Wir einigen uns auf 2500 argentinische Pesos (625 €), inklusive der Kran- und Liegeplatzgebühren. Immer noch teuer genug, aber damit können wir leben, obwohl wir mal wieder feststellen: Segeln ist die teuerste Art zu reisen.



Unsere Väter helfen uns mal wieder aus der Klemme: in Zukunft wird der Mastfuß ein Schild mit der Aufschrift „Sponsored by Papas“ tragen. Vielen Dank an Euch beide!!!



Am 16.02.2007 ist es endlich soweit: Der Mast wird gesetzt! Wir sind wieder ein Segelboot!



Ein paar Tage verbringen wir noch mit dem Ausrichten des Mastes und dem Spannen der Wanten und Stage. Nach Erhalt eines halbwegs günstigen Wetterberichtes für die nächsten fünf Tage heißt es dann Abschied nehmen. Wir bedanken uns noch beim Werftchef mit einer besseren Flasche Wein, bevor wir am Nachmittag des 20.02. pünktlich zur auslaufenden Tide winkend die Leinen los werfen.



Bei leichten südlichen Winden verlassen wir mit Motorhilfe die vertrauten Gewässer von Puerto Deseado. Nach 2 Stunden passieren wir „Pinguino- Island“, wo die „Rock Hopper Pinguine“ zu Hause sind.



Plötzlich blockiert bei einer Wassertiefe von 50 Metern die Schraube und der Motor geht aus. Hat es nach dem Mast jetzt den Motor erwischt? Wir befürchten das Schlimmste! Neustart! Wir legen abwechselnd den Vor- und Rückwärtsgang ein, bis das Boot nach 10 Minuten plötzlich wieder Fahrt aufnimmt. Im Kielwasser sehen wir einen Kelp- Teppich von beeindruckendem Format davonschwimmen, hoffentlich des Rätsels Lösung.
Nach 2 Stunden, ebenfalls auf 50 Metern Wassertiefe würgt eine 2. Kelp- Attacke den Motor ab, keine Fahrt mehr voraus, dafür Schräglage! Wir hängen fest in einem zähen Gummipflanzenteppich. Dasselbe Spiel – vor und zurück, bis wir nach einer viertel Stunde wieder frei sind. Nichts wie weg von der steinigen Kelpküste!

Die erste Nacht auf See nach einem Monat begrüßt uns mit einem strahlenden Sternenhimmel, der sich im Wasser wieder spiegelt. Delphine springen vergnügt und Salto schlagend ums Boot.

Nachmittags sichtet Timo in wenigen Metern Entfernung 2 Wale (Minke Wal?) in Bootsgröße (d.h. mindestens 10 m), die uns ca. eine Stunde ihr Geleit geben. Sie scheinen Gefallen an der Musik aus unseren Außenlautsprechern gefunden zu haben: Iron Maiden! Erst als Timo die Heavy Metal Fans mit einem Konzert auf dem Signalhorn beleidigt, suchen sie das Weite.

Der Wind hat inzwischen zwar auf Nord gedreht, reicht aber kaum zum Segeln, so dass wir immer wieder den Motor mitlaufen lassen. Am 23.02. passieren wir in 100 Meilen Entfernung gegen Mittag die Magellanstraße. Barometer und Thermometer beginnen zu fallen, Nieselregen setzt ein, der Himmel verfärbt sich zu einem eintönigen Grauton. Der sehr böige Wind dreht auf West und nimmt auf ca. 20 Knoten zu, so dass wir endlich mal wieder segeln und unsere Dieselvorräte schonen können.



In der Nacht verlässt uns der Wind bereits wieder. Was soll´ s: Motor starten. Sind ja nur noch 85 Meilen bis zur „Le Maire Straße“.

Beim Starten des Motors vernehmen wir plötzlich ein starkes schabendes und polterndes Geräusch, das nichts Gutes verheißt. Geübte und leidgeprüfte Hände heben den Motordeckel im Cockpit zur Seite und leuchten mit der Taschenlampe den Motorraum aus. Hydrauliköl ist ausgelaufen; Ursache: Die Dichtung des Ölfilters wurde herausgedrückt (warum??? Rückschlagventil, verstopfte Leitung …).
Filterwechsel, Öl nachfüllen, Neustart. Das schabende Geräusch an der Welle bleibt. Lagerschaden? Für den Rest der stockdunklen Nacht bleibt der Motor aus, bei Windstärke 0 driften wir mit dem Strom zurück nach Norden! Auf unserer Wetterfax- Karte zeichnet sich deutlich ein herannahendes Tiefdruckgebiet ab. Mit der Gewissheit, in einen Sturm zu driften, legen wir uns schlafen. Schiffen könnten wir sowieso nicht ausweichen. Das AIS hält Wache.

Im Morgengrauen sehen wir uns noch mal den Motor an und starten ihn zum zwanzigsten Mal. Auf einmal funktioniert er wieder, wenigstens im Vorwärtsgang. Unser Jubel ist sicherlich bis nach Kapstadt zu hören. Vollgas Kurs „Puerto Parry“ auf der Staaten Insel (Isla de los Estados). Ab und zu bekommen wir 10 bis 15 Knoten Wind, so dass das Großsegel ein wenig schiebt.
Die Maschine werden wir auf jeden Fall bis „Puerto Parry“ nicht mehr abschalten, obwohl der Diesel für die Fahrt nach Ushuaia knapp werden könnte. In der Abenddämmerung stehen uns noch 25 Meilen bevor. Da wir im Hellen ankommen wollen, reduzieren wir die Fahrt auf drei Knoten.



Die Nacht wird regnerisch und ungemütlich, der Wind weht unregelmäßig. Dafür schiebt der Strom mit 2 Knoten, so dass wir zu früh ankommen. Bedrohlich zeichnen sich die über 1000m hohen schwarzen Berge im düsteren Morgengrauen ab, verschwinden aber immer wieder im Dunst. Wir fahren eine weitere Stunde im Kreis, bis wir die Hafen(Fjord)- Ansteuerung in Angriff nehmen.

Sobald wir im Fjord sind, ist von Wind und Schwell nichts mehr zu spüren. Die Landschaft ist atemberaubend schön – steile Berge, überall Wasserfälle, tiefschwarzes Wasser und richtige Bäume, die wir seit Mar del Plata nicht mehr gesehen haben. Das Wasser ist plötzlich spiegelglatt, als wir am Ende des vier Meilen langen und mehr als 100m tiefen Fjordes die Häuschen der Armada erkennen.



Auf unsere Funksprüche wird nicht reagiert. Wir vermuten einen Defekt unseres Antennenkabels durch die Mastreparatur; merkwürdig ist nur, dass wir auch mit unseren beiden Handfunkgeräten niemanden erreichen. So machen wir unser Boot an der Mooring für den Versorgungsdampfer der Station fest. Diese hat ungefähr das gleiche Gewicht wie unser Schiffchen. Sandra hüpft jedenfalls erstmal auf der Riesenboje herum und freut sich über die gelungene Ankunft.

Jetzt kann der Sturm kommen, aber vorher wird gekocht, noch einmal die Landschaft genossen und geschlafen. Am nächsten Morgen pfeift es ordentlich im Gebälk, auf den Bergen hat es bis auf 50m Höhe geschneit. Es ist das erste Mal richtig kalt: Luft 7°, Wasser 5°, natürlich funktioniert die Heizung nicht – wäre ja auch ein Wunder. Schnell Frühstücken, Armada ohne Erfolg anfunken und weiterschlafen. An eine Überfahrt an Land ist bei dem Wind und unserer Gummigurke (Beiboot) nicht zu denken.

Nach dem zweiten Erwachen hören wir ein kratzendes Geräusch auf dem Funkgerät. Die Auswahl, im Umkreis der „Islas de los Estados“ zu funken, ist sehr beschränkt, bleibt nur die Armada oder ein Fischer? Armada! Wir sehen rüber zur Station und sehen eine Gestalt mit den Armen fuchteln.

Hilft ja nichts. Also wird das Beiboot bei strömendem, kaltem Regen aufgepumpt und wir fahren rüber. Am Steg werden wir von vier Soldaten in Empfang genommen, die uns gleich in Ihren gemütlichen, beheizten Aufenthaltsraum führen. Es stellt sich heraus, dass sie die einzigen Bewohner auf Zeit dieser Insel sind. Nach 50 Tagen bringt das Versorgungsschiff neue Lebensmittel und neue Soldaten. Das Ganze dient dazu, Argentinien den Anspruch auf die Staaten Insel zu sichern. „Man weiß ja nie, ob die Engländer nicht noch mal angreifen“, erwähnt später einer der Parry´ s grinsend in einem Nebensatz.

Nach kurzem Beschnuppern weicht deren und besonders unsere Nervosität. Wir erfahren, dass die Funkantenne der Armadastation beim letzten Sturm abgerissen wurde. Wir waren zwar gut zu empfangen, konnten aber nicht angefunkt werden. Haben es ja auch nur 76-mal probiert (Port Control PUERTO PARRY, PUERTO PARRY for SY ULTIMA, SY ULTIMA…) und die Jungs um Ihre Nachtruhe gebracht.

Nachdem Sandra in unserem Segelhandbuch entdeckt hat, das man hier Berge besteigen kann, befragt sie die Armada sogleich, wo der Weg startet. Sofort erklären sich zwei Inselhüter bereit, mit uns zu dem Gebirgssee hinauf zu klettern. Timos Gesichtszüge entgleisen, aber was tut man nicht alles…



Der angebliche Pfad ist nur 50m lang, danach entwickelt es sich zu einer hindernisreichen Bergbesteigung. Auf so eine Kletterpartie durch einen verwilderten Wald und über bemooste, nasse Felsen waren wir nicht vorbereitet, also rutschen wir auf unseren profillosen Seglergummistiefeln den Berg hinauf. Ein Soldat schiebt von hinten, der andere zieht von vorne. Nach 350 Höhenmetern erreichen wir den Gebirgssee. Timo dankt schweißüberströmt dem Lieben Gott, diese Tortur überlebt zu haben.
Timo: Ich bin seit zwei Tagen vom Durchfall geschwächt!
Sandra: Ja, ja…um eine Ausrede nie verlegen, wenn es ums Laufen und Abwaschen geht!

Na ja egal, die Aussicht ist herrlich, das Quellwasser schmeckt köstlich und von nun an geht es wieder abwärts. Rutschend und schliddernd erreichen wir die Marinebasis. Die anderen 50% der Inseltruppe hat inzwischen einen Käse-Nudel-Auflauf in den Ofen geschoben und eine Flasche Wein geöffnet. Zum Nachtisch wird ein heißer Kaffee mit selbstgebrautem Kaffeelikör (der Sanitäter hatte eine Flasche medizinischen Alkohol geopfert) und frisch gebackener Kuchen serviert. Die heißen, mit Quellwasser gespeisten Duschen stehen uns ebenfalls zur Verfügung. Was für ein Empfang!

Während wir in den nächsten Tagen auf besseres Wetter warten, versorgen uns die „Parry´ s“ mit aktuellen Wetterberichten, 20 Litern Diesel und frischem Quellwasser. Der Esstisch wird inzwischen ohne Worte für 6 Personen gedeckt. Es folgt noch ein lustiger Spiele - Abend („Risiko“, was sollten Soldaten auch anderes spielen).



Am frühen Abend des 03.03. verlassen wir schweren Herzens den geschützten Hafen von „Puerto Parry“, und lehnen zähneknirschend die Einladung zum morgigen Sonntags– Asado ab. Was nimmt man nicht alles in Kauf für ein günstiges Wetterfenster. Timo hätte am liebsten andere Prioritäten gesetzt, aber Kapitänin Bligh hat die Mannschaft im Griff.

Am Fjordeingang werden wir von starkem Schwell, Regen und 25 Knoten Wind aus Nord begrüßt. Vorbei geht es am Kap San Antonio und hinein in die Le Maire Straße.

Der Wind hat in der Nacht auf Südwest bis zu 20 Knoten gedreht, der Strom ist noch gegenan, so dass wir zeitweise mit nur 3 Knoten Geschwindigkeit vorwärts kommen.

Auf Höhe der Bucht Aguirre nimmt der Wind langsam ab und dreht auf Südost, so dass wir mit Großsegel und Klüver segeln können. Im Beagle Kanal haben wir wieder Strom gegenan und schleppen uns zeitweise mit weniger als 2 Knoten Geschwindigkeit voran.

Der Anker fällt am nächsten Abend in der Bucht von „Puerto Harberton“. Im gemütlichen Restaurant der direkt am Ufer liegenden, historischen Estancia (Schaffarm) ergattern wir trotz später Stunde sowohl einen Platz am Ofen als auch ein köstliches Stück Fleisch. Glücklich und zufrieden fallen wir in die Federn.



Als wir am nächsten Morgen aufwachen, liegt Schnee auf dem Deck! 6 ° - mit Mütze, Schal und Handschuhen bewaffnet geht es Anker auf. Wir hangeln uns durch ein Kelp- Feld und büßen in der nächsten Stunde mindestens einen halben Knoten Geschwindigkeit ein, da sich mal wieder eine zähe Gummipflanze am Kiel verhakt hat.

Zu allem Überfluss haben wir 20 Knoten Wind aus West, genau gegenan. Macht nichts, wir wollen endlich ankommen; die 25 Meilen bis Ushuaia schaffen wir jetzt auch noch. Wir lassen Puerto Williams (Chile) links liegen und geben Gas. 3 Stunden später werden wir von Schneehagel attackiert, die Sicht ist äußerst schlecht und die Geschwindigkeit beträgt ganze 3 Knoten. Die Schnellfähre düst nah an uns vorbei, wir sehen sie nicht, haben aber Funkkontakt.



10 Meilen vor dem Ziel klart der Himmel auf: Ushuaia in Sicht! Ein beeindruckendes Panorama mit bis zu 1500 m hohen gletscher- und schneebedeckten Gipfeln erstreckt sich vor und zu beiden Seiten neben uns.



Um 2000 UTC machen wir an einer Boje des Yachtclubs fest, als sich auch schon über Funk die Prefectura meldet. Mit dem Beiboot geht es zum Steg, an dem es vor Charterbooten wimmelt. Nachdem die Formalitäten erledigt sind, machen wir uns auf den Weg zum nahe gelegenen Supermarkt. Bei unserer Rückkehr wartet schon der Bojenbesitzer mit seinem Motorboot auf uns. Umzug zur nächsten freien Boje. Ankern fällt vorerst aus, denn das Ankerrelais hakt urplötzlich. Beim Versuch, den Rückwärtsgang einzulegen, ertönt wieder das grauenhafte, schabende Geräusch. Oh ja, es kommt mal wieder viel Arbeit auf uns zu – aber nicht heute und auch nicht morgen!



Am nächsten Tag erleben wir die nächste Überraschung: Unser 90– Tage Visum für Argentinien ist dank all der Verzögerungen inzwischen abgelaufen. Es wird uns nur eine Verlängerung für 10 Tage und 100 Pesos (25 €) gewährt. Ein Tag davon geht bereits für die Rennerei zwischen den verschiedenen Immigrationsbehörden und Banken (zwecks Einzahlung der 100 Pesos) drauf. Es bleiben uns also vorerst nur ein paar Tage, um Ushuaia zu erkunden.

1870 errichtete die britische Südamerikanische Missionsgesellschaft hier ihren ersten ständigen Außenposten in Feuerland. Zwischen 1884 und 1947 kerkerte Argentinien viele seiner Schwerverbrecher und politischen Gefangenen hier oder auf der Staaten Insel ein. 1906 wurde das Militärgefängnis hierher verlegt. Seit 1950 ist die Stadt ein wichtiger Marinestützpunkt.

Heutzutage vermarktet sich die 58000 Einwohner zählende Stadt erfolgreich mit ihrer Lage am „Ende der Welt“. Globetrotter und Kreuzfahrtgäste tummeln sich in den eng beieinander liegenden Souvenirshops und Restaurants. In der Stadt herrscht eine laute und hektische Atmosphäre.
In unmittelbarer Nähe erstreckt sich der „Nationalpark Tierra del Fuego“; darüber hinaus lädt die gesamte Bergkette hinter Ushuaia mit ihren Seen und Flüssen zum Wandern ein.



Wir haben einige Segelyachten getroffen, die Ushuaia als Anlaufpunkt für Touren in die Antarktis nutzen. Die Antarktis – Saison ist inzwischen vorbei, dafür beginnt im Juni, wohl auch für uns, die Ski – Saison.



Das Wetter ist günstig, wenig Wind aus nördlicher Richtung, so dass wir uns aus immigrationstechnischen Gründen am 10.03. auf den Weg nach Puerto Williams in Chile machen. Die neue Gastlandflagge wird gesetzt, 25 Meilen durch den Beagle – Kanal nach Osten und schon halten wir die Pässe mit den ersehnten Stempeln in der Hand. Innerhalb von 10 Minuten sind alle Formalitäten erledigt, perfekte Organisation; da sollten sich die Argentinier, Brasilianer und Uruguayer mal ein Beispiel nehmen.



Puerto Williams, obwohl der wirklich südlichste Ort der Welt, ist das absolute Gegenteil von Ushuaia. In der verschlafenen Marinesiedlung auf der Isla Navarino gegenüber des argentinischen Teils von Feuerland zählt gerade mal 2250 Einwohner.

Missionare errichteten Mitte des 19. Jahrhunderts eine dauerhafte europäische Siedlung, die während des Goldrauschs in den 1890er Jahren weiteren Zuzug bekam.

Militärbaracken und vorgefertigte Plattenhäuser mit weißen Palisadenzäunen reihen sich entlang der wenigen Schotterstraßen; freilaufende Pferde grasen am Wegesrand und in den Gärten, zwischen der frisch aufgehängten Wäsche.



Am Ortsrand liegt der 1956 erbaute Friedhof mit wunderschönem Blick auf den Beagle Kanal, wo die letzten Yahgan (Yamana) Indianer begraben liegen - unter ihnen Rosa Yahgan de Milicic, eine der letzten Zeuginnen der alten Yamana Rituale.



Die Landschaft entlang des Beagle Kanals wirkt lieblich und mild, ganz anders, als wir es erwartet haben.

Interessant ist ein Besuch im „Museo Martin Gusinde“, das an den deutschen Pfarrer und Ethnologen erinnert, der von 1918 – 1923 bei den Yahgan –Indianern arbeitete.



Puerto Williams ist ein offizieller Hafen für alle Yachten auf dem Weg zum Kap Hoorn und in die Antarktis.

Über einen steilen Pfad durch moosbedeckte Lenga– Wälder erreicht man nach 2 (mit Seglerbeinen nach zweieinhalb) Stunden den beeindruckenden Aussichtspunkt „Cerro Bandera“. Der Abstieg gestaltet sich für uns etwas unkonfortabel, da wir eine weglose „Abkürzung“ entlang eines Wasserfalls durch tiefen Wald, Gestrüpp und Matsch wählen. Die mehrtägige Wandertour zum „Lago Windhond“ nehmen wir uns für den nächsten Besuch auf der verwunschenen Insel vor, mit Zelt und Schlafsack.



Aus den 2 Tagen, die wir in Puerto Williams bleiben wollen, werden 2 Wochen. Wir genießen die Ruhe in dem sehr geschützten Hafen Micalvi und erholen uns von den Strapazen der letzten Wochen.

Im Hafen treffen wir neue und alte Bekannte:

- die deutsche SY „Santa Maria Australis“ mit Besitzer Wolf, Bootsmann Jochen und dem derzeitigen Kapitän Michael, die uns schon auf Madeira, Gran Canaria und in Buenos Aires begegnet sind und die Chartertouren in die Antarktis durchführen;

- die amerikanische SY „Spindrift“ mit dem Einhänder Ken;

- die deutsche SY „Shanty“ mit Peter (Kapitän), Flint (Papagei) und Wolfgang (Betreiber der Patagonien-Funkrunde). Dieses Treffen war besonders interessant, da wir mit Wolfgang seit mehreren Monaten in Funkkontakt stehen und über unsere Problemchen berichten. Beim Kuchenbackwettbewerb wurden wir von den dreien allerdings betrogen. Sandra´ s Kuchen: leicht angebrannt und lecker. Shanty´ s Kuchen: köstlich aber gekauft;



- der chilenische Touri- Dampfer „Victory“, mit dem wir zu Webeaufnahmen in den Murray-Kanal und zur Button-Island fahren.



Dieses Gebiet ist für ausländische Yachten gesperrt. Wandern und Assado inklusive.



Da es hier weder Ersatzteile gibt noch eine Möglichkeit, die Bootsunterseite näher zu betrachten, starten wir am 24.03. wieder Richtung Ushuaia, 25 Meilen Richtung Westen. Dies erfolgt im Morgengrauen, um zu verheimlichen, dass unser Rückwärtsgang nicht funktioniert. Die Armada in Chile ist zwar sehr freundlich, aber bei Booten mit technischen Problemen verstehen Sie aus Sicherheitsgründen keinen Spaß. Es wird von Booten berichtet, die an die Kette gelegt wurden (selbstverständlich ohne Zugriff auf den Schlüssel).

Der frühe Morgen beginnt mit einem Adrenalinschub, verursacht durch ein extremes Ansteigen der Motortemperatur. Gashebel runter, Motordeckel hoch bei 20 Knoten Wind gegenan. Timo fischt ein Bündel Kelp aus dem Vorfilter und verbrennt sich die Hand am kochenden Kühlwasser, danach sinkt die Temperatur wieder. Dieses verflixte Kelp! Am Ruder hängt auch schon wieder eine fünf Meter lange Kelp– Girlande und bremst unsere ohnehin schon langsame Fahrt.

Inzwischen liegen wir seit 3 Tagen an einer Boje des Yachtclubs. Wir planen, sobald es das Wetter zulässt, unser Boot am Steg trocken fallen zu lassen. Dort wollen wir Schraube und Welle erstmal von außen begutachten und den verwilderten Algengarten bändigen.

Allerdings vermuten wir einen erneuten Schaden am Wellenlager (Einzelheiten siehe Salvador / Brasilien), dessen Reparatur mit einer Menge Arbeit, Schweiß und Flüchen verbunden sein wird. Uns graust davor, die gesamte Sitzecke, den Tisch (unseren Lebensraum) und den 200 l Wassertank auszubauen, um an das Wellenlager überhaupt heranzukommen.

Derzeit liegen die beiden morbiden Boote „Ultima (Das Ende)“ und die norwegische SY „Ragnarök (Weltuntergang)“ nebeneinander. Wir versuchen uns gegenseitig mit technischen Horrorstorys zu übertrumpfen, die seit dem letzen Treffen in Puerto Deseado eingetreten sind. Norwegen gewinnt, bei uns geht der Motor nicht, bei Klaus und Jürgen wackelt der Kiel und Wasser tritt ein.



Wir haben die Schnauze gestrichen voll von all den Reparaturen und wünschen uns:

Sandra: „Eine Hacienda mit Blick auf´ s Meer und einem Garten voller Pferde, Hunde und Blumen – und eine Badewanne und einen Bollerofen und eine Waschmaschine!“

Timo: „Ein Steak mit Pommes!“



Viele Grüße vom Ende (oder Anfang) der Welt


FROHE OSTERN!!!


Die drei letzen Berichte wurden mit einigen Photos ergänzt.

3 Kommentare:

At 14.4.07, Anonymous Anonym sagte...

Liebe Grüsse aus Burgdorf.
Es macht immer wieder spass eure Beiträge zulesen und die Bilder zusehen. Neid.....;-))))
Euer Funkgerät, arbeitet das auf Kurzwelle ???? Welche Frequenz ???
Bleibt gesund und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.
Gruß Siggi (siggi@dc4oba.de)

 
At 5.6.07, Blogger Villmann sagte...

Why do you stupid germans have to write in german? I don't understand shit.

By the way how are you and where are you? We were supposed to write you emails all the time but we always forget your email adress in the boat and it isnt in your page so you are out of luck.

Is the engine working? We started to take of all the teak on Ragnaroks deck. It looks like hell. I don't think it was a good idea we will now hav spleens in our feet.

See you around,

Jørgen on RRRagnaRRRokkK

 
At 2.8.07, Anonymous Anonym sagte...

I am glad that the photos were not in German too... heheh. It's Danna, from Canada. I am currently on my balcony eating fresh berries, and enjoying the summer here. I was looking at my Argentina/Puerto Deseado pictures and my calendar and wondering when can I return to that amazing place. Of course, you may feel a bit different considering you and your mast spent so much time there. I am glad to see you wrapped around Chile. I do wonder where you are now. I expect you are well and smiling. Sailing is shit. Lots of love, Danna

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home