18.11.05

07.11. - 19.11.2005 Le Havre - La Coruna "Die ersten Delphine"

Am Montag, den 07.11.05 um 01.40 geht es mit dem Strom weiter nach Cherbourg. Der Wind weht wie gewöhnlich aus SW, aber mäßig, so dass wir mit einem Reff im Großsegel und Klüver unseres Weges ziehen. Am Morgen hat Timo die gesamte französische Fischereiflotte am Hacken und weicht, während Sandra schaukelnd schläft, im Zickzack ca. 60 Schiffen aus. Unterwegs zischt schnell und lautlos ein riesiger, roter Nobel – Katamaran an uns vorbei, den wir schon in Le Havre gesehen haben. Gegen 18.00 laufen wir in den gepflegten Hafen von Cherbourg ein. An der Hafeneinfahrt treffen wir auch den roten Katamaran wieder. In der Regionalzeitung lesen wir am nächsten Morgen: Hier wartet der 25 Meter lange und 11,50 Meter breite Katamaran „Etoile Magique“ die 8 Beaufort starken Südwestwinde ab, um sich am Abend, dem Kurs der Transatlantik – Regatta der „Route du Cafe´“ folgend, nonstop auf den Weg nach Salvador de Bahia in Brasilien zu machen. Neben dem Skipper befinden sich auf dem Luxus – Schiff 11 Passagiere, 10 Franzosen und ein Holländer, die zum ersten Mal den Weg über den Atlantik wagen wollen. Das Schiff bietet bis zu 50 Personen Platz, besitzt eine Tanzfläche, ist mit Luxus – Kabinen ausgestattet, Kino, Satellitentelefon... Wir zahlen für 2 Tage die Liegeplatzgebühr von je 18,80 € und erkunden die Stadt: Der „Place Napoleon“ mit der angrenzenden „Basilique de la Trinite´“ bildet vom Hafen aus gesehen den ersten großen Blickfang. Drei große Hafenbecken ziehen sich durch das gesamte Stadtinnere, umsäumt von zahlreichen, sehr schön angelegten Parks und Gärten. Und wir sehen die ersten Palmen auf unserer Reise, na gut, noch ähneln sie zu groß gewachsenen Yucca – Palmen, aber immerhin.

Schnell finden sich auch die für unser Lebern existenziell notwendigen Dinge: Ein sehr gut ausgestatteter Segelladen, ein riesiger Carrefour – Supermarkt, ein Internetcafe´. Es werden Glühlampen für das Positionslicht auf Vorrat gekauft. Klebeband und Segel – Nähnadeln in allen Variationen, da unser Klüversegel auf der letzten Etappe gelitten hat. Nach näherer Betrachtung stellen wir fest, dass dieser in den professionellen Händen eines Segelmachers doch besser aufgehoben ist. Wir packen das geschundene Segel erstmal in die Tiefen der Backskiste, bis wir das steuerfreie Portugal erreichen und knüpfen das nagelneue, größere Genua – Segel auf, mit dem wir uns auch über die Biskaya wagen wollen. Eine verdrehte Segellatte (gerade erst vom Segelmacher in Neustadt eingesetzt) wird in ihrer ursprünglichen Position wieder eingesetzt. Timo kauft schon mal günstigstes Exklusiv – Öl und eine Vakuum – Pumpe für den schon länger anstehenden Ölwechsel, den sich unser zuverlässig tuckernder VW – Dieselmotor schon längst verdient hat.

Am 09.11.05 verlassen wir mittags den Hafen von Cherbour mit dem ursprünglichen Ziel, eine der Kanalinseln anzulaufen. Später überzeugen uns aber Wind und Strom davon, nachts an Alderney, Guernsey und Jersey vorbeizusegeln. Am nächsten Morgen flaut der Westwind weiter ab, vor Jersey fährt uns fast eine Fähre über den Haufen. Als es hell wird, entdecken wir, dass die Segellatte sich verselbständigt und schon zwei Meter hinten aus dem Großsegel heraushängt. Mit vereinten Kräften können wir sie gerade noch einfangen und ins Schiffsinnere verbannen. Mit ungerefftem Großsegel und Genua erreichen wir mittags die Flussmündung des Trieux und machen ein paar Seemeilen später in dem idyllischen Hafen von Lezardrieux unsere Leinen fest.

Nachdem wir das wunderschöne, verschlafene Örtchen erkundet haben – eine heile Welt wie man sie selten findet – widmen wir uns der Instandhaltung unseres schwimmenden Zuhauses: Dem Bewegungsdrang der Segellatte wird mit Nadel und Faden langfristig ein Ende gesetzt, das Boot wird von seiner Salzwasserkruste befreit, es wird gebastelt, geräumt und geputzt. Am Nachmittag des 11.11.05 wagen wir uns auf das Meer hinaus, um uns bis zum Abend die paar Seemeilen bis Port Blanc vorzutasten, doch der SW – Wind von 22 Knoten lässt uns auf der Stelle stehen und schaukelt uns durch, also drehen wir ab in die nächste, schützende Flussmündung, Motor an, es wird schon dunkel und der Weg zieht sich. Zu allem Überfluss bricht ein Gewitter mit starken Böen und durchweichenden Regenschauern über uns herein, gerade als wir den Anker fallen lassen. Der Anker hält nicht und wir treiben ohne jegliche Sicht in Richtung Fahrwasser. Anker hoch, erneuter Versuch. Wir sind klitschnass, immer wieder Positionskontrolle, da wir uns fast im Fahrwasser befinden. Nach einer unruhigen Nacht machen wir uns auf den Weg, sobald es hell wird. Der Anker sitzt nun bombenfest und wir haben Mühe, ihn zu heben, zumal der Batteriestrom für die elektrische Ankerwinde sich dem Ende neigt, also unfreiwillige Morgengymnastik auf dem Vorschiff. Unser Wohlstandsspeck schwindet jeden Tag mehr... Es folgt ein unspektakulärer, angenehmer Segeltag mit Großsegel und Genua. Die Nacht schlagen wir uns dann, weiterhin unter Segeln, mit einer anspruchsvollen Navigation durch den „Chenal du Four“ um die Ohren, so dass wir mit den ersten Sonnenstrahlen im Hafen von Camaret bei Brest nahe der Tankstelle erstmal in die Federn fallen. Nach dem Erwachen erfahren wir von dem freundlichen Hafenmeister, dass die Tankstelle schon ihren Winterschlaf hält. Wieder einmal beeindruckt von der französischen Gastfreundschaft, werden wir vom Hafenmeister mit 4 Kanistern auf der Ladefläche seines Lieferwagens zur drei Kilometer entfernten Tankstelle des Supermarktes und zurück chauffiert. Es ist Sonntag, so dass nur mit Kreditkarte getankt werden kann, mit französischer, wie wir nach 4 deutschen Kreditkarten aller Sorten wissen. Weit und breit kein Tankwart in Sicht. Nach kurzer Ratlosigkeit rennt der Hafenmeister mit Sandra im Schlepptau durch den Supermarkt bis zum Büro des „Patron“. Nach 5 Minuten schließt ein Angestellter des Supermarktes die Kasse des Tankwart – Häuschens auf und wir füllen glücklich unsere Kanister. Der Hafenmeister hält inzwischen hier und dort ein Schwätzchen. Auf die Frage, wen er eigentlich nicht kenne, antwortet er grinsend, Camaret sei nur ein kleines Örtchen, und begrüßt bereits den nächsten Bekannten. Mit dem Fahrrad geht es schnell noch mal zum Supermarkt, bevor dieser um 1200 schließt. Der Biskaya – Einkauf steht an: Frisches Brot, Mandarinen, Bananen, Wurst und Käse, soviel das kleine Fahrrad tragen kann; wer weiß, wann wir wieder Land sehen... Der Wind kommt zwar günstig aus Nordost, nimmt aber immer weiter zu, so dass wir das Auslaufen auf den nächsten Morgen verschieben. Den Nachmittag nutzen wir dazu, uns noch mal die Beine zu vertreten und die schöne Steilküste von Camaret zu erkunden.

Für die Biskaya – Überfahrt wird unser neues Logbuch eingeweiht. Die ersten Zeilen lauten: 0800 Start in Camaret bei mäßigem NE –Wind. Barometerstand 1026 Bar. Allein mit dem Genua – Segel fahren wir mit bis zu 6 Knoten Geschwindigkeit auf Kurs 210 Grad, zwei Tage lang. Es begegnen uns nur wenige Schiffe.

Puenktlich zum Bergfest auf dem 46. Grad noerdlicher Breite kommen die ersten Delphine zu Besuch und tanzen in der Abenddaemmerung um unser Boot.

Nach ca. 280 Seemeilen flaut der Wind immer weiter ab und dreht zeitweise – wir nehmen das Großsegel zu Hilfe, später kann uns nur noch der Motor dem ersehnten Ziel näher bringen.

Nach insgesamt drei Tagen und 30 Minuten, 361,5 Seemeilen und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 5 Knoten erreichen wir um 0845 den uns bereits bekannten Hafen von La Coruna. Hier gibt es eine Waschmaschine (endlich!!! – seit Cuxhaven suchen wir danach) – sie läuft den Tag und die Nacht durch, wir schlafen den Tag und die Nacht durch.

Andere hatten weniger Glueck: Am naechsten Morgen kommt die mastlose, deutsche (Segel-)Yacht "Aldeberan" in den Hafen geschlichen - ein trostloser Anblick. Auf Timo's Frage, wo der Skipper denn den Mast gelassen habe, antwortet dieser gelassen, der Mast liege mitten in der Biskaya in 4600 m Tiefe - "dort stoert er niemanden!".

Jetzt pumpen wir die Fahrräder auf und machen uns auf den Weg zu den mystisch aussehenden Runensteinen am Stadtrand, die wir vom Boot aus gesehen haben; dann suchen wir das Internet – Cafe. Das schon genannte Batterieladegerät ist ausgebaut und wird in die Heimat (England) zur Reparatur geschickt. Wir melden uns wieder aus Lissabon...